20.08.12 Traditionschiffer aufgepasst!

Eigner und Schipper von Traditionsschiffen werden unruhig. Einem Schiff wurde die vorläufige Anerkennung als Traditionsschiff nicht endgültig zuerkannt. Wenn  das Schule mache, so die Befürchtung, werde es bald keine Traditionssegler mehr geben. Zumindest nicht solche, wie wir sie bislang auf der Nord- und Ostsee und in den Häfen gerne sehen.

Da lohnt die Suche nach den Gründen. Welche es, bezogen auf dieses Schiff, waren, ist hier nicht bekannt, wenn man von der kolportierten Wehklage absieht.

Bekannt jedoch ist ein Spruch des Oberverwaltungsgerichtes Hamburg in einem Einspruchsverfahren aus dem Jahr 2009. Er gibt einigen Aufschluß, welche Gründe bei ehemaligen Frachtseglern über 25 Metern Länge gelten, die nach 1965 zur Beförderung von mehr als zwölf Personen so umgebaut wurden, dass ihr "charakteristisches Erscheinungsbild nicht mehr in hinreichender Weise erhalten (ist)".

Es ist der Beschluß des ersten Senats des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes vom 08.10.2009, 1 Bs 174/09
§ 1 Abs 3 SportSeeSchV, § 5 SchSG, EGRL 45/2009.
Der vollständige Text kann in der Datenbank des OVG Hamburg nachgelesen werden.

Entfernt man mal alle für Juristen wichtigen Bezüge auf Richtlinien und Erlasse aus dem Text, um ihn lesbarer zu machen, ergibt sich folgende Geschichte:

Es ist der Fall eines aus Stahl gebauten Frachtsegler aus dem Jahr 1930 von rund 27 Metern Länge. Sein Rumpf und die Antriebsmaschine sind, wie in dem Spruch beschrieben, " im wesentlichen im Originalzustand". Dem Schiff wurden nach Außerdienststellung 1983 zwei andere Masten aufgesetzt, 13 Kabinen für Passagiere eingebaut, sowie zwei ursprünglich nicht vorhandene Deckshäuser aufgesetzt, "von denen das hintere als Kombüse, das vordere dem Schutz der Passagiere dient".
Daraus folgert das Gericht: Das Schiff ist "kein historisches Wasserfahrzeug, das hauptsächlich mit den Originalwerkstoffen im Original oder als Einzelnachbildung gebaut wurde".
Weiter heisst es: "Infolge der Umbauten ist die Ursprungsform des Schiffes als Frachtsegler mit dem für seinen historischen Verwendungszweck charakteristischen Erscheinungsbild nicht mehr in hinreichender Weise erhalten".
Es sei unerheblich, dass "die Antragsgegnerin (hier die SeeBG) bei der Auslegung des Begriffes 'historische Wasserfahrzeuge' ... in der Vergangenheit und hinsichtlich der Beurteilung anderer Schiffe sehr großzügig verfahren sei.

Das Gericht führt aus: "Insbesondere ist die Ausfüllung des Begriffes 'historische Wasserfahrzeuge' daran zu messen, ob es sich um Wasserfahrzeuge handelt, die in der Vergangenheit bereits existiert haben. Denn nur hinsichtlich solcher Fahrzeuge besteht, wie von § 1 Abs. 3 SportSeeSchV gefordert, ein öffentliches insbesondere kulturelles Interesse an der Erhaltung und Präsentation in Fahrt."
Das wird begründet, denn, so das Gericht "Die Erhaltung historischer Wasserfahrzeuge dient der Wahrung des maritimen kulturellen Erbes und dessen Präsentation in Fahrt. Dieses maritime Kulturgut wird in aller Regel nur durch die Erhaltung vorhandener Schiffe in ihrer ursprünglichen Gestalt oder deren Einzelnachbau gewahrt. Allein der Umstand, dass die Maschine ... möglicherweise die einzige erhaltene ihres Herstellers ist, rechtfertigt nicht die Wertung, das gesamte Schiff sei im kulturellen Interesse erhaltenswert. Derartige Einzelkomponenten eines Schiffes, die für die Öffentlichkeit nicht sichtbar und nicht zugänglich sind, lassen nicht das gesamte Schiff, unabhängig von den Änderungen an der ursprünglichen Erscheinung, ausnahmsweise erhaltenswert erscheinen."
"Zwar mache der Antragsteller mit Recht geltend, dass seit dem 6. August 2005 das bis dahin zur Definition „Traditionsschiffe“ gehörige Merkmal „und deren Betrieb ausschließlich ideellen Zwecken dient“ entfallen ist.
Dennoch, so der Spruch: "Unverändert ist für die Einordnung eines Schiffes als Traditionsschiff aber erforderlich, dass an seiner Erhaltung und Präsentation in Fahrt ein öffentliches insbesondere kulturelles Interesse besteht. Es scheint nicht fern liegend, dass damit unverändert eine vornehmlich kommerzielle Zweckrichtung des Schiffsbetriebes in der Regel nicht vereinbar ist."
Zudem sei das Schiff ein Fahrgastschiff, denn "Das Schiff (befördert mehr als 12 Personen) und fällt in den Geltungsbereich der  .... Richtlinie für vorhandene Fahrgastschiffe ab einer Länge von 24 Metern. Diese Voraussetzung erfüllt das Schiff, da es bis zu 30 Personen, die nicht zur Besatzung gehören, befördern soll. Das Schiff, so die Begründung, "zählt auch nicht zu den historischen Fahrgastschiffen, für die ... die Richtlinie nicht gilt. Denn das Schiff ist nicht als Fahrgastschiff vor 1965 entworfen worden. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob (genannte) Richtlinien überhaupt auf Schiffe Anwendung findet, die nicht als Fahrgastschiffe entworfen und gebaut wurden, sondern ihre Eigenschaft als Fahrgastschiff durch Umbau erhalten haben. Erforderlich ist jedenfalls, dass Entwurf und Bau oder Umbau des Schiffes als Fahrgastschiff vor 1965 erfolgte".
Auch als Fahrgastschiff ohne Antriebsmaschine kann es nicht gelten, für welche die Richtlinie nicht gilt, denn "Da das Schiff mit einer Antriebsmaschine versehen ist, die, wie der Antragsteller herausstellt, historischen Erhaltungswert habe, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Fahrgastschiff ohne Maschinenantrieb (handelt).

Mit anderen Worten: Keine Traditionsschiffs-Zulassung für ehemalige Frachtsegler, die nach 1965 so umgebaut wurden, dass ihr äußerliches Erscheinungsbild vom Original maßgeblich abweicht und die mehr als 12 Personen befördern. Für andere Schiffe wurde hier kein einschlägiges Urteil gefunden. 

PS: den Namen des betroffenen Schiffes haben wir hier aus naheliegenden Gründen entfernt.