07.10.12 Ehemalige segelnde Berufsfahrzeuge

Berufsfahrzeuge in den 1950ern in Niendorf
Mit Beispielen ist das so eine Sache. 
Kassandra, zum Beispiel, gilt seit dem Altertum als tragische Figur, weil sie die Wahrheit zu kennen glaubte, aber niemand ihr Glauben schenkte. Doch dazu später. 

Beim Stöbern in alten Fotoalben der Familie fallen Bilder aus den Fünfzigern und Sechzigern von Häfen an der Ostseeküste ins Auge. So sahen sie damals wohl aus, die zahlreichen seglenden ehemaligen Berufsfahrzeuge, die heute die Museumshäfen zieren. Mit Masten, aber ohne Segel, dafür mit Steuerhäusern. Was bekommen wir denn nun am Bohlwerk präsentiert: Ehemalige Berufsfahrzeuge die segeln? Ehemalige Segelfahrzeuge, die beruflich genutzt werden? Segelfahrzeuge, die ehemals beruflich genutzt wurden? Alle Deutungen sind möglich und für alle gibt es Beispiele. 
Na, dann ist ja alles in Ordnung, und wir können über den Aufnahmeantrag für den Museumshafen Flensburg entscheiden, meint der Pragmatiker und widmet seine Zeit dem nächsten Thema.
Nicht so der Theoretiker, diesmal ist es nicht ein Hüter der reinen Lehre des Museumshafen-Gedankens, der eine naheliegende Entscheidung kippt. Es ist keiner, der seinen Sachverstand durch jahrelange Mitarbeit in einschlägigen Gremien und Organisationen geschärft hat. Der weiß nämlich, wie vertrackt die Sache mit den ehemaligen segelnden Berufsfahrzeugen ist, wenn man zusätzlich auch noch Qualitätskriterien einführen möchte, zum Beispiel über die Art des Riggs der Segler. Dabei ist das Problem weit verbreitet. Als führendes Internet-Lexikon schreibt deshalb WIKIPEDIA:   
"Ein Museumshafen ist eine Sammlung von traditionellen Arbeitsschiffen.
Der Begriff Museum kann etwas irreführend aufgefasst werden, da die in den Häfen befindlichen Schiffe meist nur von außen zu besichtigen sind und aufgrund von Umbauten bestimmten musealen Vorstellungen nicht entsprechen."
Sieht man sich in Museumshäfen um, wird man der Zustandsbeschreibung zustimmen. 

Welche Mitglieder (und damit deren Schiffe) in einen Museumshafen-Verein neu aufgenommen werden sollen, bestimmt in der Regel die Vereinssatzung. Wenn sie nichts zur Sache sagt (Welche Anforderung muss das Schiff des Beitrittskandidaten erfüllen), dann regelt sie zum mindesten das Verfahren (Auf welche Weise entscheiden die Vereinsorgane?) 
An der Sisiphos-Aufgabe, allgemein verbindliche Anforderungen an die Qualifikation von Beitrittskandidaten, sind schon zahllose Versuche gescheitert. Deshalb gibt es immer noch keinen Kriterienkatalog. Nun scheint ein Vorstandsgremium sogar am Aufnahmeverfahren zu scheitern, weil ein Mitglied, so ist zu vermuten, mit Zweitnahmen Kassandra heisst.  

Und damit sind wir wieder bei der altgriechischen Königtochter. Ihre Argumente wurden von ihren Zeitgenossen als Ausdruck von Querulantentum verstanden, weshalb Apollo den sie verschmähte, sie dadurch bestrafte, dass niemand ihren Worten folgen sollte. Heute weiß man, dass sie im wesentlichen Recht hatte. Aber hätte der Trojanische Krieg ein besseres Ende gefunden, wenn man ihr geglaubt hätte? Und überhaupt, was ist schon besser? 
Damit ist das Beispiel aber auch schon wieder zu Ende. Kassandra wurde vergewaltigt und später sogar erdolcht. Aber das ist eine andere Geschichte. 
Fast wäre es unerwähnt geblieben:  Die Kandidatin in unserem Fall heißt LINA und liegt vor dem Schifffahrtsmuseum und ist ein ehemaliges segelndes Berufsfahrzeug.