06.04.13 Christliche Traditionsschifffahrt

Traditionsschiffer, so meint mancher, sind ein ziemlich gottloser Haufen wind- und wettergegerbter Gesellen, die denken, dass Messwein sowas wie Branntwein ist, nur eben mit Mess. Weit gefehlt. Traditionsschiffer sind eng in das Kirchenjahr eingebunden. Jawoll. Das kommt so:
Jetzt zahlt sich eine vorsorgliche Beschriftung aus
Eine Woche nach dem ersten Frühjahrsvollmond ist Ostern. Das war in diesem Jahr am 31. März, eine Woche nach dem frühest möglichen Termin für Ostern, nämlich dem 22. März. Deswegen und wegen der langen Kälteperiode kommen jetzt einige Schipper des Museumshafens ins Schwitzen.
Während auf WIEBKE BOHLEN, verborgen unter der Winterplane, schon seit ein paar Tagen eifrig geschliffen und lackiert wird, rückte heute die Crew der FULVIA an, um das Schiff für die Saison aufzuriggen. Nun mag man sich fragen, was das denn mit Ostern zu tun hat. Die Erklärung ist einfach: Pfingsten wird als beweglicher Feiertag immer 50 Tage nach Ostern gefeiert und, nun kommt's, eine Woche vorher ist das Wochenende nach Himmelfahrt, bekannt auch als das Wochenende der Rum-Regatta.
Chaos mit System
Bis dahin soll das Schiff für die Saison fertig sein. Denn sind die Ausflugsgäste an Deck, ist es vorbei mit takeln und pönen. Auf einem Schiff, unter freiem Himmel, steht jede Arbeit unter Wetter-Vorbehalt. Also heisst es, so früh wie möglich anzufangen um sicher rechtzeitig fertig zu werden. Berufstätige, das sind Menschen, deren Tagesablauf vom Arbeitgeber oder Kunden vorgegeben wird, können dadurch Probleme bekommen, wenn sie nicht ganz flexibel sind. Das mag erklären, warum viele Eigner alter Schiffe bereits im (bürgerlichen) Ruhestand sind. Das wirft aber auch ein Licht auf die Prämisse, dass Traditionsschiffe nur für kulturelle Zwecke, jedoch nicht für die Finanzierung des Lebensunterhalts ihrer Eigner eingesetzt werden dürfen. Wer sich den Alltag der Betroffenen genau ansieht, erkennt schnell, das diese Forderung ziemlich weltfremd ist. Sie wird sogar mit zunehmender Größe des Traditionsschiffes noch weltfremder, falls das möglich ist.
Diese Unvereinbarkeit kann nur mit der Bereitschaft aller Beteiligten gemildert werden, auch einmal die Sichtweise der anderen Seite zu übernehmen. Dann kann man auch mal das eine Auge zudrücken und mit dem anderen nach Kompromissen Ausschau halten. Denn verstehen und verzeihen ist eine ur-christliche Forderung an Jeden, nicht wahr?