28.10.13 Erster Herbststurm

Schon seit Stunden jagen Wolkenfetzen aus Südwest über Flensburg hinweg. Nachmittags fliegen die ersten Dachziegel auf die Straßen und Höfe. Der erste Herbststurm naht, als Folge des Sturmtiefs "Christian", das auf seinem Weg nach Flensburg schon die Nordseeküste mit Böen bis 160 km/h heimgesucht hat. Ein Mensch wird von einem Baum erschlagen. Die Norderstraße wird gesperrt, weil Teile der Dächer auf die Straße fallen. Im Hafen steilen die Wellen auf und heftige Böen reißen Wassertropfen aus ihren Spitzen, bis die Gischt in einer dicken Schicht den Blick auf die andere Hafenseite und die Werfthalle auswischt. Nimmt der Wind zu, krängen die Schiffe nach Lee über und schwingen in die Festmacherleinen. Wenn jetzt nur keins dieser Taue bricht. Im Nu würden die Schiffe gegeneinander treiben und sich beschädigen. Bei dem schnell sinkenden Wasserstand wird es jetzt auch schwierig, an Bord zu kommen um noch irgendetwas zu verbessern. Nun zeigt sich, dass Voraussicht eine Haupttugend der Seeleute ist, denn immer noch gilt der Satz "Things that can go wrong, will".
THOR und CHARLOTTE ohne Halt

Ebenso DAGMAR AAEN und AURORA von ALTONA.
Seit Jahren liegt der Museumshafen der Flensburger Hafen GmbH in den Ohren, weil die Dalben zunehmend verrotten. Vergebens, man ist dort auf Gewinnmaximierung getrimmt. Da werden die lästigen Mieter des Bohlwerks als unerwünschte Bittsteller abgewimmelt, obwohl die einstmals stabilen Pfähle zweifelsfrei zur Mietsache gehören und von dem "Enkel-Unternehmen" der Stadt Flensburg in Ordnung gehalten werden müssen. Noch vor zwei Wochen berichtete das Flensburger Tageblatt unter dem Titel "Ärger mit den Pollern" über die verfahrene Situation und die HAFENMELDUNGEN griffen ebenfalls das Thema auf. Jetzt, wo die alten Schiffe auf einen sicheren Halt angewiesen sind, wie seit zwei Jahren nicht mehr, brechen vier von ihnen wie mürber Keks. Nun hat DAGMAR AAEN und AURORA von ALTONA keinen Halt mehr, THOR und die gerade neu renovierte CHARLOTTE verlieren ihren Halt in Luv und drücken mit dem gemeinsamen Gewicht auf die Leinen und Dalben, an denen WIEBKE BOHLEN befestigt ist. RYVAR wird im Sturm an den Kai verlegt, nachdem ein Dalben gebrochen ist.


Glück im Unglück: dies alles geschieht am helllichten Nachmittag. Einige Freunde des Museumshafens und Schiffseigner sind gekommen, um nach dem Rechten zu sehen. So können die Schiffe zumindest notdürftig befestigt werden im Sturm mit Orkanböen aus Südwest. Aber der Wind wird drehen und dann muss die ganze Aktion erneut durchgezogen werden. Festmachen für alle Windrichtungen jetzt ist zunächst einmal Vergangenheit.

Heute kam der erste Herbststurm. Er wird nicht der letzte sein.