21.04.15 Gutes Kraut

Der April verwöhnt uns in diesem Jahr mit wunderbar sonnigen Tagen. Und weil das Schiff noch nicht segelklar ist, zieht es uns wieder einmal an das Fördeufer zu einem ausgedehnten Spaziergang. Einer unserer Lieblingsplätze ist der Wald am Quellental in Glücksburg. Der Strand ist zwar steinig und eignet sich nur in der Nähe des Yachthafens zum Baden aber bei neun Grad Wassertemperatur ist das keine unzumutbare Einschränkung. Wie oft, sind wir auch heute nahezu alleine unterwegs.

Schon am Parkplatz leuchten vom Waldboden zwischen großen alten Buchen und Erlen die kleinen gelbe Blüten des Scharbockskrauts über dunkelgrünen Blättern. Die unscheinbare Pflanze war einst für Seeleute lebenswichtig. Wie vielen Menschen es das Leben rettete, hat niemand gezählt. Aber seine heilende Wirkung war so wichtig, dass es einer schrecklichen Mangelkrankheit den Namen gab und auch später dem wichtigsten Heilmittel zu ihrer Behandlung. Skorbut kann mit gutem Grund die Geissel der Seeleute genannt werden und der Name der kleinen Pflanze ist Scharbockskraut.
Skorbut hat unzählige Seeleute das Leben gekostet, und der Leidensweg bis zum Tod war lang und schrecklich. Man sagt, das mehr Seeleute an Skorbut starben, als an jeder anderen Ursache. Auf manchen Schiffen kam von langen Reisen die Hälfte der Besatzung nicht zurück. Aber nicht nur Seeleute litten und starben an Skorbut, sondern alle Menschen, die monatelang auf frisches Obst und Gemüse verzichten mußten. Oder eben auch auf das Scharbockskraut.
Durch Versuche und Überlieferung waren auch einige andere Nahrungsmittel bekannt, die gegen Skorbut wirken. Zwiebeln gehören genau so dazu wie Kartoffeln, die aber erst im 16. Jhd. nach Europa kamen. Auch Sauerkraut ist ein wirksames Mittel. Weil es auf deutschen Schiffen zum Speiseplan aufgeklärter Reeder gehörte, wurden deutsche Seeleute "Krauts" genannt. Und weil bei der englischen Marine aus dem selben Grund Limonensaft zur täglichen Nahrung gehörte, nannte man die Matrosen "Limeys".
Warum Scharbockskraut, Zitrone und andere Planzen Symptome des Vitamin-C-Mangels lindern, war bis 1928 nicht bekannt. Erst dann wurde das Vitamin C entdeckt. Sein chemischer Name ist Askorbinsäure, was auch mit "Nicht-Skorbut"-Säure übersetzt werden kann.

Wer jetzt aber das Scharbockskraut auf seinen Speiseplan nehmen möchte, sollte damit bis zum nächsten Frühjahr warten. Die junge Blätter können nämlich nur vor der ersten Blüte verzehrt werden, danach sind sie giftig, reizen die Schleimhäute und verursachen Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Außerdem kann das Scharbockskraut mit anderen Hahnenfußgewächsen verwechselt werden. Die sind großenteils noch giftiger. Also freuen wir uns an den hübschen Frühlingsblüten und lassen das kleine Kraut ungepflückt.