02.07.15 Von Ferne gesehen


Gestern haben wir die Ankunft der Teilnehmer des Robbe & Berking Sterling Cups aus der privilegierten Position des Seglers auf der Förde miterleben können, überwältigt vom Bild der großen Rennjachten, die in dichter Folge an uns vorbeizogen. 
Wir Traditionssegler sind naturgemäß für Nostalgie empfänglich. Deswegen hat uns das Schauspiel vielleicht stärker bewegt als den Rest der Bevölkerung. Dieser "Rest" ist jedoch offensichtlich immens. Denn waren schon gestern nur wenige Schiffe mit Schaulustigen unterwegs, mussten wir heute feststellen, dass auch an Land nur Wenige das Spektakel beachteten.
Über der Förde strahlte die Sonne von einem makellos blauen Himmel und der Ostwind blies 25 Grad warme Luft über das mäßig bewegte Wasser. Am Strand von Glücksburg spielten Kinder im Wasser und junge und ältere Sonnenanbeter komplettierten ihre Sonnenbräune.
Als wir ankamen, machten sich gerade die noch im Hafen des FSC in Glücksburg verbliebenen Teilnehmer der Regatta fertig zum Auslaufen. Die konzentrierte Geschäftigkeit der Crews und das K
nattern der Segel im Wind machten eine Stimmung voll erregter Spannung förmlich greifbar. Langsam glitt Boot für Boot aus dem geschützten Jachthafen, die kleinen Drachen und 5,5 mR-Jachten schon drinnen segelnd. Von einzelnen Böen erfasst, legten sie sich weit nach Lee über und nahmen mit einer flinken Reaktion des Rudergängers rasch Fahrt auf. Dazwischen die großen "Zwölfer", meist unter Maschine. An Deck die Crews in einheitlichem Dress, jeweils als ein Team zu erkennen. Das alles direkt in der Sandwig, der Bucht mit dem Strand von Glücksburg. Ein Bild wie aus der der oft "golden" genannten Tage vor einhundert Jahren. Wären jetzt am Strand zwei Herrenreiter wie auf dem berühmten Bild von Max Liebermann aufgetaucht, sie hätten gut in dieses Bild von sportlicher Eleganz und großbürgerlichem Zeitvertreib gepasst.

Nun leben wir bekanntlich nicht in den als "golden" verbrämten Zeiten vor mehr als zehn Dekaden, als sich am politischen Himmel schon die dunklen Wolken der kommenden Katastrophe abzeichneten. Anders als heute hätten sich auch nur wenige Normalbürger an dem Bild erfreuen können, weil sie nicht in die Nähe der Refugien der Reichen und Schönen gelangt wären. Das ist heute anders.  Aber dennoch konnten wir nur wenige Zuschauer entdecken, die sich an dem schönen Bild freuten: Ihre Aufmerksamkeit galt eher spielenden Kindern, Sand auf dem Handtuch und in der Sonnencreme.
Nun ja, es muss ja auch nicht allen dasselbe gefallen. Uns jedenfalls zog das Geschehen auf der Regattabahn in seinen Bann. Als das Startschiff  ALPHA TAURI den Hafen verließ, war der Start des großen Spektakels nicht mehr fern. Die Teilnehmer, eben noch auf der weiten Wasserfläche verteilt und auf ihre eigenen Manöver konzentriert wie Musikanten in einem Orchester vor dem ersten Takt, sammelten sich zu großen Pulks vor der Startlinie. Sie war fast auf der anderen Seite der Förde, dicht unter dem dänischen Ufer. Aber wegen der großen Entfernung war das Schauspiel im Überblick besonders gut zu beobachten. Auch die Versuche Einzelner, sich eine vorteilhafte Startposition zu ersegeln, war sehr schön zu erkennen. Auf Backbordbug zu segeln strebten viele an, aber das war bei der Windrichtung nur hoch am Wind zu erreichen. Andere brachen gleich zu Anfang aus und starteten direkt auf Steuerbordbug. Zwar gaben sie damit ihr Vorfahrtsrecht preis, konnten aber mit freiem Feld und Wind größtmögliche Geschwindigkeit segeln. Interessant auch die Segelführung. Einige hatten Vollzeug gesetzt, was sie später mit viel "Lage" bezahlen mussten. Das sieht zwar chic aus, ist aber nicht immer ein wirklicher Vorteil. Andere gingen gleich mit einem Reff ins Rennen. Sie kamen aufrecht segeln auch ganz gut weg. Nur die Wunderschönen mit dem Gaffelrigg, HETI und CINTRA, beide nach der 1st rule der 12 Meter Formel gebaut, segelten wohl in einer Klasse hinterher. Wir hoffen inständig, dass sie sich dadurch nicht entmutigen lassen. Geschwindigkeit darf bei einer klassischen Yacht nicht die wichtigste Bedingung sein. Das sollte man besser den Modernen überlassen. Bei Autorennen kommen ja schließlich auch die klassischen Bugattis und Lagondas nicht mit modernen Motoren daher. 

Waren nach dem Start die Teilnehmer als Feld noch dicht beisammen, suchten sie sich bald eigene Kurse und kreuzten vor der Wendetonne in der Bucht von Schausende. Nun starteten wenige Minuten später in getrennten Feldern die Boote der Drachen- und 5,5 mR-Klasse. Insgesamt waren um die achtzig Boote auf dem Wasser und kämpften um Platz und Sieg. Was für ein Bild! Wie Balletttänzer bewegten sie sich mit- und umeinander nach einer verborgenen Choreografie. Einer Jacht ging augenscheinlich das Vorsegel ungeplant runter, eine kleinere wurde wenig später mit gebrochenem Mast in den Hafen geschleppt. Man kann sich vorstellen, welche Dramen sich an Bord abgespielt haben und welche sich später bei der Manöverkritik noch abspielen werden. Aber Regatta - das ist Material, Können, Sportsgeist und auch immer noch Glück. 
Das Ende des Spektakels nahte. Wir verließen die angenehm schattige Bank an der Uferpromenade, reckten unsere steifen Glieder und gingen zurück. Auf dem Weg trafen wir nur wenige andere Zuschauer. Jachtsport auf der Förde ist wohl kein Thema für Public Viewing. Aber auch das ist eigentlich sehr schön.