23.08.15 Sportlich, sportlich

An manchen Tagen kann man mit einem traditionellen Segelboot sportlich segeln - am Maßstab älterer Herrschaften gemessen. Heute war so ein Tag. Die Wettervorhersage hatte für die Flensburger Förde einen mittleren Wind von vier Beaufort aus Ost vorhergesagt mit Böen von sieben auf derselben Skala. Durch Erfahrung gewitzt haben wir die Möglichkeit eingeplant, daß es auch bisschen mehr werden kann. Schon vor dem Start wird ein Reff in das Großsegel eingebunden und der Klüver wird nicht gesetzt. Auf den Besan wollen wir jedoch nicht verzichten. Er hilft in der Wende, das Boot durch den Wind zu schieben. So segeln wir frohgemut aus dem Hafen. Bei den hohen Silogebäuden dreht der Wind an jeder Ecke. Ein paarmal kommt er sogar aus Nord, dann wieder aus Südost. Aber immer noch ganz handig. In der Enge zwischen der hohen Werfthalle der FSG (Flensburger Schiffsbaugesellschaft) an der Spitze des Harniskais nimmt er schon kräftig zu. Ab der Sonwik werden die Böen kräftiger und immer mehr. Aus dem Jachthafen pfeift er in allen Tönen im Rigg der Segelboote. Bald geht der Wind auf geschätze sechs bis sieben Beaufort. Einzelne Böen sind schon ziemlich giftig. Nun sind wir mit der Segelführung sehr zufrieden. Eben haben wir noch bedauert, daß wir auf den Klüver verzichteten. Jetzt fehlt er uns nicht, auch wenn unsere WIEBKE BOHLEN nicht ganz ausgewogen getrimmt ist. Wenn sie in der Böe zu hart anluven will, bekommt sie einen Schrick auf die Besanschot. Das kostete zwar ein paar Grad Höhe, aber man will sich auch nicht schinden. Ansonsten sind die Bedingungen für's Segeln einfach ideal. Schnurgerader Kus N auf Backbordbug. Außer uns segeln nur zwei oder drei andere Boote in Richtung Holnis. Wer sonst noch unterwegs ist, kommt entgegen und muss ausweichen. Bald sind wir bei den Ochseninseln und wir legten einen Holeschlag ein. Nun queren die meisten Boote auf dem selben Bug (Steuerbord) aus Luv und wieder haben wir die Vorfahrtsregeln auf unserer Seite. Bei Glücksburg gibt's es eine Regatta mit modernen Rennjollen, aber mit denen kommen wir klar, im Notfall wären wir ausgewichen. Wir haben es ja nicht eilig. Eine oder zwei Jollen kentern. Eine Crew unterschätzt die Wirbel in unserem Abwind. Als sie dicht hinter uns passiert, ging sie um's Haar koppheister, hat aber die abrupten Winddreher gut gemeistert.
Ein Folkeboot wird nach Kräften gelenzt, es hat wohl ein bisschen viel Wasser übernommen. Mittlerweile fliegen auch uns ein paar Spritzer Gischt um die Ohren. Aber der Wind ist angenehm warm und die kleine Dusche finden wir recht erfrischend. Einen Nachteil hat das Segeln am Wind jedoch: Wir können nur wenige Fotos schießen. Dabei gibt es Motive zuhauf. Aber zu ein paar Schnappschüssen kommen wir dennoch. Mittlerweile liegen die Ochseninseln hinter uns. Wir sind auch vom Flach nördlich der Großen Ochseninsel genügend weit fern geblieben. Hier jetzt auf Legerwall stranden, hätte den Tag ziemlich zerstört. Eine Jacht kommt von hinten auf. Mit halb eingerollter Genua und einem Reff im Großsegel läuft sie voll und bei in Lee und lässt uns schon bald hinter sich. Natürlich sind Slups mit Hochtakelung am Wind grundsätzlich schneller als eine traditionelle Gaffelketsch. Aber Skipper der Slup segelt auch intelligent mit vergleichsweise volleren Segeln als wir, während wir auf größtmögliche Höhe aus sind. Das könnten wir beim nächsten Mal besser machen. Schließlich sind wir bei Holnis Enge. Unser "Sparringspartner" hatte aus der Tiefe der Stranderød Bugt schon längst eine Wende nach Nordost eingelegt, um damit einen günstigen Absprung für den Schlag durch die Meerenge zu bekommen. Wir jedoch wollen zurück. Eine Wende, unterstützt durch den Besan mit dicht geholter Schot. Das geht bei uns ganz einfach so, wie vor Jahrzehnten Schaffner in der Straßenbahn den Klingelzug betätigten: Nach oben greifen und kräftig ziehen.

Nun segeln wir mit halbem Wind. Die (GPS-) Logge zeigt konstant Werte zwischen sechs und sieben Knoten und das Kielwasser rauscht nur so vorbei. Das mag manchem Segler modernen Boote objektiv langsam erscheinen. Aber es ist so wie man es an Land von Fahrten mit alten Autos kennt. Ein 110 Jahre alter Oldtimer, auf  80 km/h beschleunigt, schenkt auch ein viel intensiveres Gefühl für Geschwindigkeit als ein moderner PKW. Nun liegen die Ochseninseln schon wieder hinter uns. Bei stürmischem Wind aus nördlicher bis östlicher Richtung gibt es auf der Inneren Förde sogar eine kleine Dünung. Sie
FULVIA af Anholt
erinnert von weither an frühere Reisen in anderen Revieren, wo wir richtig hohen Seegang kennenlernten, der uns immer noch Inbegriff von Seesegeln ist. Man muß genießen, was man hat und so freuen wir uns an dem sanften Rollen, wenn wieder eine Welle von hinten durchläuft. Nun kommen Nachbarn aus dem Museumshafen entgegen. Zuerst FULVIA und dann auch PIROLA. Sie
kutschieren Gäste einmal Ochseninseln rund. Langsam lassen die Böen nach und der Wind wird insgesamt etwas zahmer. Wir pirschen uns auf der Ostseite in den Hafen, um genügend Raum für eine "wendefreie" Durchfahrt zur Hafenspitze zu bekommen. Das klappt heute mal wieder ganz gut. So kommen wir mit halbem Wind am Museumshafen vorbei. Dann fällt die
PIROLA
Fock, ein Aufschießer, das Großsegel fällt, dann der Besan. Jetzt Maschine an und langsam geht es zu unserer Box. Wir versuchen immer, den Wind in das Manöver mit einzuplanen. Dazu gehört, dass er den Bug von der "richtigen" Seite faßt, wenn wir das Boot vor der Box wenden. Wir werden beim Einparken den schralenden Ostwind von vorne bekommen. Das ist eine unangenehme Windrichtung für Rückwärtsfahrt mit unserem Langkieler.  Auch heute ist der Wind nicht hilfreich. Er dreht in unserem Manöver. Also abbrechen und noch einmal anlaufen. Heute hätten wir beim Wettbewerb um das eleganteste Einparken keinen Platz auf dem Siegertreppchen bekommen.
Später erzählt uns der Skipper der FULVIA, dass sein Windmessgerät in der Spitze 40 Konten angezeigt hat. Das ist Windstärke acht auf der Skala von Monsieur Beaufort.