19.10.15 Musik

Traditionssegler anzusehen, ist oft eine ganz besondere Freude. Sie erlauben einen kleinen Blick in die Vergangenheit, wie es an Land der Anblick eines alten Bauernhauses, einer Windmühle oder vielleicht eines alten Gasthofs bietet.
Während der Apfelfahrt hatte im Museumshafen ein besonderer Gast seine Leinen festgemacht.
Dieser Gast, der Haikutter RUTH aus Eckernförde ist ein besonders ansehnliches Exemplar ihrer Gattung und sie bereitet darüber hinaus auch ein selten gewordenes Klangerlebnis. Diesen Klang verdankt sie dem Einzylinder Glühkopfmotor, der unter Deck in seinem Maschinenraum werkelt und der die Umgebung daran akustisch teilhaben lässt. Angefacht von einem Druckluftstoß startet er mit einem bellenden "PAFF!". Das geht bald in eine rhytmische Folge gehauchter Töne über. Sie sind fast unhörbar, wenn keine Leistung abgefordert wird und sie können energisch und laut werden, wenn das alte Kraftwerk aus seiner Lethargie erwacht. Am besten ist es, einfach mal anzuhören:




 Ton einschalten nicht vergessen!

Wer beim Hören auf die Wanten und Fallen blickt sieht, wie das ganze Schiff im Takt der Zündungen schwingt. Das gibt einen Eindruck von den dynamischen Kräften die auf den Rumpf wirken. Der hat in seinen Teilen glücklicherweise Reserven eingebaut. Das ist auch ein Grund für ein langes Schiffleben, wenn das gute Stück fachgerecht gepflegt wird. Bei Holzteilen geht es hier vorrangig darum, die Konstruktion innen trocken zu halten und fachgerecht zu konservieren. Aber Holz ist ein lebender Werkstoff und das Leben währt bekanntlich nicht ewig. Mit der Zeit schrumpfen die Hölzer, die Verbände lockern sich und, wie beim Menschen auch, ändert sich die äußere Form. Bei Haikuttern wird das besonders am Heck sichtbar. Von keinem Auftrieb im Wasser gestützt, sackt es dann unter seinem eigenen Gewicht nach unten und der einst schwungvolle Deckssprung nähert sich der Geraden.
RUTH wird bald einhundert Jahre alt. Sie bekam bei einer Restauration ihre ursprüngliche Form nahezu vollkommen zurück. Nun vermittelt sie den Eindruck, wie diese Schiffe zu ihrer Bauzeit einmal aussahen. Dazu trägt auch das Deckshaus bei. Denn nahezu alle Haikutter hatten schon als Neubau diese Schutzhütte auf dem Achterdeck. Erst beim Übergang in die Freizeit-Schiffahrt wurden dieser Aufbau entfernt - der Romantik zuliebe.
In einem war RUTH jedoch eine Ausnahme unter Haikuttern: Sie heißt nicht nur so, sondern sie hat auch das Rigg eines Kutters. Die meisten Haikutter führten ihre Segel an zwei Masten - eben als Ketsch. Und so sieht man sie heute noch die letzten ihrer Art auf den maritimen Veranstaltungen entlang der Ostseeküste. Aber nicht nur dort. Manche haben in weit entfernten Häfen eine Heimat gefunden. Jedoch werden die meisten von ihnen mittlerweile von schnelllaufenden Dieselmotoren angetrieben.

Wer ins Schifffahrtsmuseum nach Göteborg kommt, kann dort eine ganz besondere Musik-CD erstehen. auf der ausschließlich der Klang von ein ein-und mehrzylindrigen Schiffsmotoren zu hören ist, die man dann im heimischen Wohnzimmer werkeln lassen kann.

P.S.
Vor einiger Zeit hatten wir schon einmal einen Gast mit Glühkopfmotor im Museumshafen: Hier werkelt CONNIE