06.08.17 Zwischen Fritz und Katja

Wetterkarte des Tages
Grafik: wetter.net
Flensburg liegt zur Zeit zwischen dem Einflußbereich des Tiefdruckgebiet Fritz (über Finnland) und dem Hochdruckgebiet Katja (über Süddeutschland). Über Jütland kuscheln ihre Isobaren enger als anderswo. Das sorgt schon seit Tagen für kräftigen Südwest bis Westwind mit Starkwindböen bei sinkenden Temperaturen. So auch heute. Teils heiter, teils wolkig und wenig Regen bei 4-5 bft und Böen um sieben - ideal, um sich ein wenig auf der Förde auszutoben.

Wie oft bei Westwind ist es am Vormittag im Hafen ruhig und von den Böen ist wenig zu spüren. Haufenwolken ziehen am Himmel wie es für Hochsommertage üblich ist. Nur das Licht scheint kälter zu leuchten; die Luft ist auch nicht richtig warm. Man hätte einen Pullover anziehen sollen.
Wir sind heute nicht das einzige traditionelle Segelschiff, das den Hafen verlässt. Vor uns ist bereits SEUTE DEERN aufgebrochen und während wir vor dem Schifffahrtsmuseum die Segel setzen, löst sich WILLOW WREN von ihrem Liegeplatz bei den klassischen Yachten. Mit Groß und Besan gehen wir auf Kurs Richtung Hafenausfahrt. Bei halbem Wind ist das Boot trotz dieser "amputierten" Segelführung gut zu steuern. Wir fieren lediglich die Besanschot etwas weiter als sonst und schon lässt der Druck aufs Ruder nach. Wir wollen ja noch im Hafen die Vorsegel setzen und haben es deswegen nicht eilig. Dennoch bewegen wir uns fast schon schneller, als die Polizei erlaubt. Im Flensburger Hafen sind das fünf Knoten.

Westwind ist einfach ideal. Trotz der hohen Gebäude und der Hänge am Westufer hat der Wind nur wenige Wirbel. Lediglich die Richtung dreht etwas auf Südwest - auch das ist kein Problem. Derweil setzt die erprobte Vorschoterin den Klüver. Da haben wir den Hafen schon hinter uns. Jetzt noch die Fock und schon zeigt das GPS um sechs Knoten an. Und der Wind nimmt zu. Davon bekommen wir zunächst nur wenig mit, weil wir jetzt wieder einmal backstags segeln. Da ist der Bordwind bekanntlich geringer. Mittags sind wir bei den Ochseninseln. Dort ankert SEUTE DEERN.

Was sollten wir mit dem angebrochenen Tag anfangen? Ebenfalls ankern? Oder einfach immer weiter bis hinter den Horizont segeln? Schließlich siegt die Vernunft. Denn mittlerweile ist auch der backstags einfallende Wind stark genug, uns in Böen immer wieder stark überliegen zu lassen. Eine moderne Slup vor uns luvt dann abrupt stark an. Auch bei bedecktem Himmer nennt man das einen "Sonnenschuss". Schnell kommt Holnis Enge näher und wir beschließen spontan, eine Halse zu fahren. Neuer Kurs Glücksburg. Schließlich müssen wir bis zum Hafen zurück kreuzen. Also erstmal die Pinne festlegen, Besanschot dichtholen, Großschot ebenso und "Rund Achtern!" Noch während der Vorbereitung wird das Wasser dunkel und die Wellen zeigen jetzt weithin Schaumkämme. Die Böe erreicht uns in dem Augenblick, als WIEBKE BOHLEN in der Drehung quer zum Wind läuft und schon nimmt sie weit überliegend Fahrt auf. Flog bis dahin die Gischt mit lautem Platschen von den Wellenkämmen, beginnt sie jetzt zu prasseln. In dem Augenblick, die Logge zeigt über sieben Knoten, erfasst uns blendend helles Sonnenlicht. Unter der Leekante des Decks ziehen die Schaumfladen der Bugwelle mit ziemlicher Geschwindigkeit vorbei. Jetzt leuchten sie hell auf. Oh warum ist jetzt keine Kamera bereit die dieses tolle Bild festhält! Aber auch eine Zweiercrew hat nur zwei Hände: eine für das Schiff, eine für den sicheren Halt.

Nun aber sauber auf Kurs gehen und die Schoten justieren. Der Klüver ist besonders wichtig. Sind die Schoten zu dicht, kostet das Geschwindigkeit. Man spürt förmlich, wie sich das Boot quält, wie ein Auto mit angezogener Handbremse. Es will und kann schneller, wird aber hart herunter gebremst.
Wir fahren unsere 20 Tonnen ohne Winschen. Das ist kein Problem, solange die Schot rechtzeitig belegt wird. Der beste Augenblick ist dafür, wenn die Vorschoterin ruft "Schot frei!". Dann fliegt die bisherige Schot nur so von ihrer Klampe. Schon geht der Bug durch den Wind. Kurz darauf kommt "Schot belegen!"; jetzt die neue Schot ganz schnell und ganz dicht auf ihrer Klampe fest belegen. Auf dem neuen Kurs wird sie gefiert, wenn nötig. Schon wenig macht einen großen Unterschied. In unserem Fall ist das ein halber Knoten.  Nun sind wir dicht vor unserer Rumpfgeschwindigkeit*). Mehr geht ohnehin nicht.

Acht oder zehn Wenden und Halsen später sind wir wieder vor dem Hafen. Mit einem Holeschlag in die Wasserslebener Bucht verschaffen wir uns eine günstige Position um, die Einfahrt zu passieren. Wir mogeln uns ganz dicht am Wulstbug der neu gebauten Fähre vorbei und schrammen in dichten Abstand entlang der Mole am Harniskai, bis uns der Knick in der Hafenkante erlöst und wir einmal quer durch den Hafen zu Westseite beim Bohlwerk verholen können. Jetzt kommend die Vorsegel runter. Hinter den Dalben des Museumshafens stellen wir das Boot in den Wind. Die Gaffelsegel fallen. Eine spritzige Ausfahrt ist zuende. Und kalt ist uns auch nicht geworden.
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*) Das sind bei unserem Boot ca. 8,3 Knoten (etwa 15 km/h)

Die Wettervorhersage verspricht Böen (hat Recht gehabt)

Nachtrag:
am 21.08.17 sandte eine freundliche Bekannte und gute Fotografin Fotos, wie wir in den inneren Hafen hineinkreuzen. Dafür herzlichen Dank!