02.10.17 Barrierefreiheit

Barrierefrei geht anders
Das Bohlwerk mit dem Museumshafen ist ein beliebtes Nah-Erholungsgebiet. Täglich kommen dutzende bis hunderte Besucher um bei Fischbrötchen und Bier zu chillen oder sonst wie runter zu kommen. Beim Runterkommen kommt Mancher (oder auch Manche?) wohl auch auf was rauf. Auf verrückte Ideen zum Beispiel oder aktuell gesagt auf Ideen, wie etwas verrückt werden kann. Als besonders verrückt gilt schon immer, etwas komplett gegen den Strich zu unternehmen. Pubertierende sind darin wahre Meister und zeigen denen, die wir früher Bourgeois nannten, wie die wahre Welt auszusehen hat. Aber sowas hat meist nur eine kurze Halbwertzeit, um das mal mathematisch zu bezeichnen. Wo sieht man heutzutage noch pinkrotleuchtende Irokesenfrisuren, die früher von der individuellen Auffassung einer besseren Welt zeugten?

Vielleicht hat auch die aktuelle Forderung nach Inklusion samt der zugehörigen Barrierefreiheit ihre Halbwertzeit. Der Anlass zur Überlegung kam heute auf dem Bohlwerk. Während der Verein Museumshafen als Hausherr, der seine Aktionen gerne "bunt" und "munter" nennt, auf Barrieren verzichtet, sind manche Besucher schon einen Schritt weiter.

Ernsthaft wurde seit langem erwogen, das Bohlwerk nachts komplett zu sperren weil unliebsame Besucher Schiffe und Anlagen beschädigten. Realisiert wurden die Pläne nie. Teils wegen aktuell wichtigerer Ausgaben, teils wegen der o.a. Barrierefreiheit.  Die soll Behinderten auf dem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe Hindernisse aus dem Weg räumen. Aus selbem Grund wurde ebenfalls darauf verzichtet, die kurzen Anleger tagsüber zu sperren, wenn sich Bootseigner und Besucher keinen Weg mehr durch die Bier und Fischbrötchen genießenden Massen zu und von ihren Booten bahnen können.

Mit den erstrebten Attributen gastfreundlich, offen und den Besuchern zugewandt hätte man das auch schwerlich vereinbaren können. Es blieb also dabei und das Bohlwerk ist, was früher die Allmende war: Ein Ort den Jeder und Jede nutzen kann, ohne dafür Verantwortung zu übernehmen. Das Bohlwerk als Ort, an dem man sich gerne aufhält, wird auf diese Weise ebenfalls nicht lange bestehen können. Teils weil manche Besucher sich anderen Zielen zuwenden, teils weil manche Bootseigner ihnen gleichtun.

Heute hat die Nutzung nach freiem Gusto eine neue Blüte getrieben. Eine solide Sitzbank, aus den schweren Kanthölzern des ehemaligen Hafenkrahns gebaut, wurde auf den Anleger zwischen BODIL und FULVIA geschleppt um - ja um was nur? zu erreichen. Dem Gewicht entsprechend muss die Mühe beträchtlich gewesen sein. Wir wissen nicht, ob es den Beteiligten "Spass" gemacht hat. Wir wissen nur, dass seitdem etliche Bierflaschen mehr als sonst herrenlos auf dem kultigen Hafenbauwerk herumstehen. Und dass die Bootsleute der beiden traditionellen Segler im Hafen nur noch kletternd zu ihren sehenswerten historischen Booten gelangen können. Dabei zahlen sie regelmäßig ihren Teil der Pacht, den die Stadt dem Verein für das Bohlwerk berechnet, halten es sauber, so gut es unter den Umständen geht und machen auch mal den Fremdenführer wenn Auskünfte gefragt sind - während die Fischbrötchen- und Bierfreunde nur für ihren Imbiss aufkommen und das Aufräumen anderen überlassen.